Konflikte in Projekten - Buchbesprechung

Lead. Hendrik Hilmer untersucht in seinem Buch (333 Seiten, 16 Kapitel) er­freulich frisch und ungezwungen die zwei Seiten des Konfliktmanagements: sowohl auf der institutionellen Seite als auch auf der persönlichen Ebene. Diese Unter­such­ung wird eingerahmt von den Basics zu Projekt und Projekt­manage­ment und den ihnen innewohnenden Konflikten auf der einen Seite und den Fertigkeiten in der Konfliktführung auf der anderen Seite. Insgesamt merkt man dem Buch an, dass es von einem Praktiker für Praktiker geschrieben wurde. 

0. Basics. Der Verfasser möchte zunächst „eine gemeinsame Basis schaffen, auf der Sie die weiteren Inhalte des Buchs lesen können. So werden u.a. die Begriffe ‚Konflikt‘, ‚Kommunikation‘, ‚System‘, aber auch ‚Projekt sehr unterschiedlich verstanden und angewendet.“ (S. 8.) Spannend liest sich auch der sich anschließende Teil über den Gebrauch der Worte (Kapitel 2). Die Synthese aus Projekt- und Konfliktmanagement liefert erste Antworten auf die Frage Warum Projekte so konfliktträchtig sind (Kapitel 3): Hilmer benennt acht verschiedene Aspekte, die die Konfliktträchtigkeit von Projekten beeinflussen:

  1. Komplexität
  2. Risiko
  3. Knappe Ressourcen und Vertrauen
  4. Neuartigkeit und Einzigartigkeit
  5. Einmaligkeit und Endlichkeit
  6. Fristen und Zeitdruck
  7. Projektteam
  8. Die verflixten externen Stakeholder

1. Institutionelles Konfliktmanagement. Im ersten Hauptteil seiner Unter­suchung geht Hilmer ausführlich auf die Aspekte Konfliktmanagement, und Stakeholder-Management ein. Anschließend beschreibt der Autor sehr prägnant die verschiedenen Wege der Konfliktbehandlung. Besonderen Augenmerk legt er dabei auf die Mediation als dialogische Konfliktbehandlungsmethode (vgl. Kapitel 4 bis 6). Dabei hat der Verfasser das folgende Ziel im Blick: „In diesem Buchteil soll es um institutionelle Ansätze der Konfliktbehandlung gehen. Sie sind durch ihre strukturgebende Art geeignet, sich aktiv mit (möglichen) künftigen Kon­flik­ten auseinanderzusetzen und die Konfliktkompetenz der Anwender durch die in­ten­sive und strukturierte Auseinandersetzung dauerhaft zu verbessern.“ (S. 107)

2. Persönliches Konfliktmanagement. Der zweite Hauptteil konzentriert sich auf die Aspekte des persönlichen Konfliktmanagements. Im Untertitel für diesen Abschnitt steht „was Sie selbst tun können“ (S. 161) Damit trägt dieser Buchteil der Feststellung Rechnung, „dass nicht immer alle organisatorischen Aspekte in der Hand der ProjektmanagerInnen liegen. Dies gilt auch für die Belange des Konflikts. Nicht immer können Sie ein Konfliktmanagementsystem installieren, wie es im Lehrbuch steht. Dies kann verschiedene Gründe haben: So kann es an der nötigen Unterstützung bei den Vorgesetzten oder Teammitgliedern fehlen, oder es stehen (wieder einmal) keine ausreichenden Mittel zur Verfügung. Seien es Zeit, Geld oder (qualifiziertes) Personal, Ressourcen sind in Projekten fast immer knapp.“ (S. 161)

In sechs Kapiteln (Kapitel 7 bis 12) öffnet Hendrik Hilmer seinen Werkzeugkasten und bietet verschieden Instrumente und Methoden an, die dabei helfen können, die individuelle Konfliktkompetenz zu erweitern und zu vertiefen. Dabei geht es um die Funktion von Kommunikation in Konflikten (Kapitel 7), um die Willenskraft und Selbststeuerung in kritischen Situationen (Kapitel 8), und um die Konstruktion der eigenen Wirklichkeit (Kapitel 9). Im Herzstück dieses Abschnitts formuliert Hendrik Hilmer einen der prägnantesten Werbe-Slogans der letzten zehn Jahre um und fragt „Tolerieren Sie noch oder akzeptieren Sie schon?“ (Kapitel 10; analog zu ‚Wohnst Du noch, oder lebst Du schon?‘ IKEA, 2002). Dieser Teil persönliches Konfliktmanagement schließt mit interessanten Betrachtungen zu normativen Erwartungen (Kapitel 11) sowie zu Vorurteilen und Stereotypisierungen (Kapitel 12).

3. Fertigkeiten in der Konfliktführung. Im letzten Abschnitt mit vier Kapiteln skizziert Hilmer Fertigkeiten in der Konfliktführung; oder wie es im Untertitel zu diesem Buchteil heißt „Was Sie können sollten“ (S. 281) Hier werden genauso Aspekte der Mikropolitik erwähnt (Kapitel 13), wie der Spannungsbogen zwischen Sympathie und Antipathie (Kapitel 14), und der Umgang mit Grübeln (Kapitel 15). Die Untersuchung Konflikte in Projekten endet mit ein paar praktischen Hinweisen zur Einordnung von Konflikten (Kapitel 16).

Fazit. Konflikte in Projekten lohnt sich für verschiedene Zielgruppen: für Projektmanager, damit sie ihre Aufgabe besser gestalten können; für Führungs­kräfte, damit sie Projekte und Konfliktmanagementsysteme vernünftig aufsetzen; aber auch für Projektteam-Mitglieder, damit sie Ihre individuelle Konflikt­kompetenz verbessern. Und nicht zuletzt auch für MediatorInnen, damit sie vorbereitet sind, wenn sie zur Bearbeitung von Konflikten in Projektteams gerufen werden.

Über den Autor. Hendrik Hilmer hat einen wirtschaftspsychologischen Hintergrund und hat darauf sein Wissen in den Bereichen Coaching und Mediation weiter vertieft (vgl. S.2). Er arbeitet seit vielen Jahren an der Nahtstelle von komplexen Projekten zwischen technischer Eindeutigkeit und unübersichtlichem Stakeholder-Umfeld.

Verbindung zu mir. Hendrik Hilmer besuchte im Februar 2015 mein Seminar Mediation im Rahmen des Weiterbildenden Studiums an der FernUni in Hagen, wenn meine Aufzeichnungen stimmen. Er gehört zu den Menschen, die auf der Suche sind und wahrscheinlich immer sein werden – auf der Suche nach Antworten, u.a. besser mit Konflikten umzugehen. Fünf Jahre später stellt das Buch Konflikte in Projekten so etwas wie eine erste Zwischenbilanz dar auf der Suche nach umfassenden Antworten – ein lohnenswertes Unterfangen für ihn selbst, aber auch für alle, die in unübersichtlichen Arbeits- und Projektstrukturen ihre eigenen Konfliktkompetenzen verbessern wollen.

Hinweise zur Transparenz. In Zeiten von Fake-Rezensionen gestatten Sie mir an dieser Stelle den Hinweis: Hendrik Hilmer hat mir das Buch geschenkt – ohne Absicht. Ich habe mich danach mit dieser Rezension bedankt – ohne Honorar. Es handelt sich hier also weder um eine gefälschte noch um eine gekaufte Bewertung.

Neuerscheinung

Hendrik Hilmer (Verfasser): Konflikte in Projekten – Erklärungsmodelle, Methoden und Lösungen für eine bessere Konfliktkompetenz

Springer Gabler (Imprint des Springer-Verlag GmbH), Berlin, 2021. 1. Auflage 2021. XVI, 333 Seiten.

ISBN: 978-3-662-63195-9

ISBN: 978-3-662-63196-6 (Online-Ausgabe)